Gemeinsam sind wir Helden

Seit jeher – bis zur heutigen Zeit - sind wir von der Idee des einsamen Helden fasziniert. Es ist unmöglich, die Straße entlang zu gehen, ohne riesige Werbetafeln für den nächsten Marvel-Film zu sehen, überflutet mit Bildern eines einzelnen, mächtigen Superhelden, der die Welt retten wird. Es sind Menschen, die durch schieren Willen und Stärke (und nicht zu vergessen diese übernatürlichen Superheldenkräfte) unüberwindbare Hindernisse bezwingen und bedeutende Veränderungen herbeiführen können. Ja, diese gottähnlichen Helden sind als Metaphern für die Kraft gedacht, die wir alle haben, um Herausforderungen zu meistern... aber "die Welt", die sie retten, ist oft genauso fantastisch wie sie selbst.

Die sehr komplexen Herausforderungen der Menschheit sind auch dann noch vorhanden, wenn der Superschurke besiegt ist, und Superman stellt sich nur selten Dingen wie Hunger, Armut oder sozialer Ungerechtigkeit entgegen. 

Nun, die Heldenreise gibt es nicht ohne Grund. Joseph Campbells berühmte Meditation zu diesem Thema in seinem Buch "Der Held mit den tausend Gesichtern" zeigt uns, dass uns die kraftvollen Geschichten einer besonderen Person, die allen Widrigkeiten zum Trotz Erfolg hat, seit Jahrhunderten inspirieren. Und nicht nur das: Diese Geschichten gehören zu den beliebtesten und einflussreichsten Kunstwerken, die es gibt. Sie haben große Menschen dazu inspiriert, große Dinge zu tun. Aber sie lassen eine Sache aus.

Die drängendsten Probleme der Welt sind viel zu groß und miteinander verflochten, als dass ein einzelner Mensch sie lösen könnte. 

Der Klimawandel zum Beispiel ist ein globales Problem, das alle Menschen auf diesem Planeten betrifft und von ihnen beeinflusst wird. Auch die sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten sind systemische Probleme, die sich über Jahrhunderte hinweg aufgebaut haben. Dies sind keine Rätsel, die von einem einzelnen Genie oder übernatürlichen Helden gelöst werden können, sondern ständige Herausforderungen, die kollektives Handeln und nachhaltige Anstrengungen erfordern. 

Das ist nicht demotivierend gemeint - und ich meine sicher nicht, dass wir Superheldengeschichten über Bord werfen sollten! Ich denke sogar, dass dies genauso inspirierend sein kann wie jedes Buch über einen magischen jungen Zauberer oder eine mächtige junge Frau mit Pfeilen.

Das Schöne an der Erkenntnis, dass kein Mensch allein die Welt retten kann, ist die Erkenntnis, dass wir alle es können. Die Maßnahmen jedes Einzelnen, so klein sie auch erscheinen mögen, tragen zu einer größeren Bewegung des Wandels bei. Wenn wir uns zusammentun und unsere Ressourcen, unser Wissen und unsere Leidenschaft bündeln, können wir bedeutende Veränderungen herbeiführen. Die Art und Weise, wie eine Person zum Dienen berufen ist, unterscheidet sich von der einer anderen, und gemeinsam harmonieren unsere Handlungen des Dienens zu einer Kraft, die größer ist als die, die jeder einzelne von uns jemals ausüben könnte.

Um beim Beispiel des Umweltschutzes zu bleiben: Es hat sich gezeigt, dass individuelle Entscheidungen zur Abfallvermeidung, zum Wassersparen und zur Unterstützung nachhaltiger Praktiken im Laufe der Zeit unglaublich positive Auswirkungen haben. Sie tragen auch zu einem größeren Trend bei der die Verantwortlichen zu einer umweltfreundlicheren Politik drängt. Auch der soziale Wandel folgt einem ähnlichen Muster. Bewegungen für Bürgerrechte, Gleichstellung der Geschlechter und LGBTQ+-Rechte sind alle durch die kollektiven Bemühungen von Einzelpersonen, die sich für eine Sache einsetzen, vorangekommen.

Zu akzeptieren, dass wir alle für die Entwicklung der Welt verantwortlich sind, ist ein Aufruf zum Handeln. Es ist eine Aufforderung, sich bewusster und zielgerichteter in der Welt zu engagieren. Das bedeutet nicht, dass sich jeder für dieselbe Sache engagieren oder auf dieselbe Weise beitragen muss. Vielmehr geht es darum, herauszufinden, wo die eigenen Leidenschaften, Fähigkeiten und Möglichkeiten mit den Bedürfnissen der Welt übereinstimmen. Und keine Begabung ist ohne Potenzial damit auch Veränderungen zu bewirken!

Liebst Du es zu häkeln? Dann kannst Du Dich an die Arbeit machen und Decken für Mütter und Kleinkinder in Not herstellen.

Bist Du begeistert vom Basteln? Starte einen TikTok-Account, auf dem Du anderen zeigst, wie man aus gewöhnlichen Abfallgegenständen Kunstwerke oder praktische Haushaltshelfer basteln kann.

Du bist nicht sicher, wo Dein Talent nützlich sein könnte? Überlege Dir, was Du derzeit beruflich machst und überlege, ob Du diese Fähigkeit bei einer gemeinnützigen Organisation ehrenamtlich einsetzen könntest. Selbst eine Stunde pro Woche hilft schon!

Wenn wir verstehen, dass kein Akt der Freundlichkeit, der Großzügigkeit oder des Dienstes zu klein ist, eröffnet sich uns eine ganze Welt von Möglichkeiten, "die Welt zu retten".

Als Einzelne sind wir Tropfen in einem riesigen Ozean, wenn wir uns zusammentun, sind wir der Ozean selbst - unermesslich mächtig und in der Lage, die Zukunft des Planeten zu gestalten. Die Verantwortung, die Entwicklung unserer Welt mitzugestalten, ist sowohl eine tiefe Bürde als auch eine unglaubliche Chance. Im Buch der Ethik heißt es, dass wir zwar nicht "verpflichtet sind das Werk zu vollenden, aber auch nicht frei sind, es zu unterlassen" (Pirkei Avot 20:21). Dies ist ein Aufruf zum Handeln, der nicht nur Optimismus, sondern auch Entschlossenheit, Kreativität und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit erfordert.

Indem wir diese gemeinsame Verantwortung übernehmen, erkennen wir an, dass zwar kein Einzelner die Welt retten kann, dass aber die kollektive Kraft und der kollektive Wille der Menschheit ihr Schicksal in Richtung einer besseren, gerechteren und nachhaltigeren Zukunft lenken können. Und keine Sorge, es wird eine Zukunft sein, in der auch genug Platz für unsere Lieblingssuperhelden ist.